Weil sie beständiger Fluß sind, lassen sich Gefühle nicht anhalten; sie lassen sich also auch nicht „unter die Lupe“ nehmen; das heißt, je genauer wir sie beobachten, desto weniger wissen wir, was wir fühlen. Die Aufmerksamkeit ist schon eine Veränderung des Gefühls.
Robert Musil – aus: Mann ohne Eigenschaften
Ein ganz natürliches Dilemma des Menschen stellt der Fluss der Zeit dar. Im Hier und Jetzt gefangen, jeder Gedanke verbindet sich nach einem My des Diesseits, dem glorreichen Moment des wahren Seins, zu einem Schulterblick auf Vergangenes. Ich schwenke den Schluck durch meinen Mundraum. Roggenwürze und Vanille. Wärme am Gaumen. Mit meinem Speichel verbunden wird es nun meiner Teil. Gedankenverloren nehme ich einen weiteren Schluck und lausche. Das Zischen der Snare vereinigt sich mit dem Bass zu einer Welle. Sie brandet in mir, löscht den Odem meiner Kehle. Schlägt rhythmisch die übrigen Flämmchen aus, nimmt meine Aufmerksamkeit in Geiselhaft. Unruhig wippende Erwartung auf den nächsten Schlag. Er wird kommen. Ist vorüber. Wo war ich? Der Scheinwerfer meines Bewusstsein holt mich ins Sein zurück. Doch scheint er daneben, die Gischt schäumt, während sich eine liebliche Stimme den Weg in meine Neuronen bahnt. Mein Blick fällt auf ein Konstrukt aus Linien und Zeichen zurück. Schiebt sich am Heben und Senken der Taktschläge vorbei. Frisch gebackenes Brot mit Pflaumenkompott und Pfeffer. Was? Ich fahre auf, richte die Glieder zu einem starren Kleid. Überrascht kämpfe ich mich aus der Moment der Hingabe an die Flut von Sensationen. Vorbei.
Vor mir der Wäscheständer, London Elektricity schallt von links aus meinen Boxen, das Nosingglas wandert zurück auf mein Teetablett, es schwappt ein wenig Roggenwhisky auf meine Hand. Während ich sie am Teetuch trockne, werfe ich mit der Anderen das nun zugeklappte Buch über Sensorik auf den Ikeasessel neben mir. Ich schnuppere ein wenig an der Rechten. Der Griff zum Notizheft, der Gelstift klackt erwartungsvoll. „Pflaume und ein bisschen Pfeffer“ ergänze ich beim Unterpunkt „A“ für Aroma. So verfließt ein Abend in der heimischen WG, ein wenig später lege ich mich mit einem Lächeln schlafen.
Ein seltsamer Start für einen Blog
Ich versuche mich zu erklären: Liquid thoughts, also die flüssigen Gedanken spiegeln meine großen Leidenschaften wider. Den „stream of consciousness“ bzw. den Bewusstseinsfluss, das Plätschern der Musik (dabei sehr gern Liquid Drum and Bass) und trinkbare Flüssigkeiten aller Art – ob nun Tee, Bier oder gemischte wie pure Spirituosen. Eine melange a trois, die vorerst befremdlich anmuten mag. Verbunden werden sie durch ihren Zweck – den Genuss.
Meiner Erfahrung nach ist Genuss mehr als nur das Schmecken eines edlen Caroni-Rums, es ist eine Haltung. Die Vorbereitung, die Erwartung, das Sich-verlieren und Darin-wiederfinden, die Umgebung, das Teilen und Für-sich-behalten, das Bewusst-machen und Gedankenzerfließen… Sprich, man erlebt den Genuss. Und dieses Erlebnis weiterzureichen, meine Reise zu dokumentieren und natürlich auch die Genussobjekte zu zeichnen, soll in diesem Blog geschehen.
Im Fokus stehen Getränke
Auch wenn ich gerne lese und die restliche Zeit mit Musik zu füllen weiß – dieser Blog richtet sich an alle Getränkeliebhaber. Eine gut ausgestattete Bar sowie einige Kisten an Tee sammelten sich über die Zeit bei mir an und werden in aller Regelmäßigkeit aufgegossen. Diese Erfahrungen mit dir, der sich noch nicht durch die Unsitte einer unpersönlichen Sprache abschütteln ließ, zu teilen, ist Ziel und Zweck des Blogs.
Da du bereits die schier unzählige Vielfalt der Foodblogger aufgezehrt hast, bis du diesem pretenziös-verqueren Wortdreher gestrandet bist und noch nicht dein Segel erneut gesetzt hast, erhälst du meinen unsterblichen Respekt. Letztlich will ich aber nicht im Hochwasser der Blogkanäle als groteske Mangrove wurzeln, sondern Querverbindungen zwischen den Welten schaffen und das Ganze mit passenden Musikempfehlungen sowie hie und da mit Literarischem, Philosophischem und Psychologischem würzen.
Warum denn kein spezielles Getränk?
Meine Reise begann mit dem Mixen von Drinks. Da Cocktails aufwändig waren und ich nicht immer intensive, geballte und alkohollastige Drinks vor mir haben wollte, begann ich, Bier näher zu erkunden. Aus dem eher lästigen Getränk der Jugend entwickelte sich ein robustes Verhältnis. Es lud zum Entdecken ein, musste aber auch nicht mit dem forschenden Schwenk im Mund getrunken werden. Großschlucktauglich ist ein tolles Wort.
Mit der Zeit ärgerte ich mich, dass Alkohol nunmal auch ein potentes Gift und Suchtmittel ist, ich aber täglich kleine Geschmacksexkursionen anstellen wollte. Meine Versuche im Kaffee waren kurz, die Koffeintoleranz meines Magens zwang mich auf einen anderen Pfad: Tee! Der Schlüssel zu einem Dschungel an Geschmackseindrücken fand sich in der Art der Zubereitung – dazu kommt bald ein eigener Artikel. #tease
Entlag des Pfades griff ich weitere Getränkearten auf und verachte auch keinen Champagner, aber in Summe bemerkte ich einfach, wie schön es doch sein kann, vielfältige Getränkekategorien mit ihren inhärenten Eigenschaften trinken und vermischen zu können. Und das ist auch die Botschaft:
Egal ob du Rum, Oolong oder Pils magst:
Lass‘ dich auf diesen Törn durch das Flüssige entführen!