Welche Bar traut sich eine Cocktailkarte ohne einen Caipirinha oder Margarita herauszugeben? In der (zweierlei) breiten Bevölkerung sind die Begriffe „Cocktail“ und „Sour“ geradezu deckungsgleich. Etwas tiefer lässt der Whisky Sour als einer der Drinks zum Einstieg des aufstrebenden Hobbymixologens blicken. Doch auch fernab der bekanntesten Vertreter finden sich einfache und dennoch absolut empfehlenswerte Sours. Es wird zur Kirsche spaziert und zu schummelnden Äpfeln auf den Tischen getanzt.
Obstbrand-Sours
Für welche Spirituose sind die deutschsprachigen Länder eigentlich bekannt? Neben dem Korn, der bereits in manche Top-Bar wie der Bar am Steinplatz in Berlin, erobert hat, ist vor allem unser gebranntes Obst weltweit bekannt. Oftmals wird der Obstler als Digestif im Kurzen schmerzlos nach dem Essen verdrückt. Wenn man bedenkt, dass die eingemaischten Früchte deutlich anspruchsvollere Kulturgüter als Getreide darstellen, ist es geradezu ein Jammer, den Obstbrand derart verschluckt zu sehen. Keine lange Lagerung ist nötig, um den Geschmack sonnengereifter Früchte zu erleben. Und jede einzelne Apfelsorte bringt noch den ganz eigenen Geschmack mit, so wie ein Boskoop eben nicht wie ein Elstar schmeckt.
Häufig stehen also diese jungen Obstbrände in den heimischen Barschränken. Leider sind sie beim puren, zimmerwarmen Genuss sehr stark alkoholisch, weshalb ich immer wieder gefragt werde, wie man ihn denn sonst trinken kann, wenn nicht aus der Gefriertruhe und mit schnellen Zug. Ähnlich wie beim Whisky ist auch hier die Antwort: Im Sour kann man eine Spirituose kennenlernen, ohne sich vor ihrer Stärke fürchten zu müssen. Selbst edle sortenreine Brände kann man im Sour ohne schlechtes Gewissen genießen. Wer sich dem Purgenuss dabei annähern will, steigert den Anteil der Spirituose im Gegensatz zum Sirup/Zitronensaftanteil. Wenn man bei 5/3/2 beginnt, kann man sich zum 7/3/2 vorarbeiten.
Im Sour kann man eine Spirituose kennenlernen, ohne sich vor ihrer Stärke fürchten zu müssen.
Kirschsour
6 cl Pircher Kirsch – Linie Südtirol
3 cl Zitronensaft
1,5 cl Zuckersirup
Auf Eiswürfeln schütteln und in einem Tumblerglas auf frischem Eis abseihen. Ggf. mit frischen oder eingelegten Kirschen garnieren.

Warum denn nur 1,5 cl Zuckersirup? Nunja, ungleich zum Whisky ist es so, dass Obstbrände zwar nicht beim Maischen nachgezuckert werden dürfen, aber das Destillat mit Zucker geschönt werden darf. Das ist verbreitet in günstigeren Qualitäten, besonders bei den Tirolern. Um den enthaltenen Zucker auszugleichen, habe ich entsprechend weniger Zuckersirup verwendet. Es gilt die Devise: Abschmecken! Sowohl eine potentielle Süße des Brandes als auch die Zitrusfrüchte (Reifegrad und Frische) verpflichten einen zum Testen, bevor man den Sour serviert. Zudem lernt man so das Einstellen von Drinks. Beim eher gemütlichen Beisammensein mit Cocktails rege ich meine Gäste dazu an, mir zu sagen, ob ihnen ein Sour zu süß oder sauer erscheint. Dies lässt sich schnell nachkorrigieren und führt zu strahlenden Gesichtern, wenn man den Sweetspot trifft! Zudem lernt man mit der Zeit den Geschmack der Freunde kennen und kann bei einer größeren Party auch ohne Nachfrage das passende Verhältnis mischen.
Es gilt die Devise: Abschmecken! Sowohl eine potentielle Süße des Brandes als auch die Zitrusfrüchte verpflichten einen zum Testen, bevor man den Sour serviert.
Diese fruchtbasierten Sours sind einfach der Renner bei meiner eher studentischen Klientel. Schön erfrischend, nicht zu kompliziert oder anstrengend, viel Variation ist möglich, fehlen sie auf so gut wie keiner Karte bei den infamen WG-Zusammenkünften. Und neben dem eher klassischen Kirschbrand Sour möchte ich noch eine (schummelnde) Budgetvariante vorstellen, welche DER Signaturedrink dieser Wohngemeinschaft wurde und sich bereits auf Studipartys in anderen Städten geschlichen hat, da man bei mir die verwendete Lavendelessenz bezieht.
Schmetterlinge im Bauch

6 cl Apfelkorn*
3 cl (frischgepresster) Zitronensaft
2 cl Zuckersirup
3-4 Dash Lavendelessenz**
Mit Eiswürfeln schütteln. In ein Longdrinkglas auf frisches Eis abseihen. Mit Sodawasser aufgießen (4 – 6 cl).
* Nordhäuser Doppelkorn eine halbe Stunde mit Teekanne Apfel (der richtige Tee ist kriegsentscheidend!) infusionieren.
** 70 g getrocknete Lavendelblüten in 500 ml min. 50 % Alk. für 2 Wochen ziehen lassen. Im Original als Rapid-Infusion in einem Sahnesiphon hergestellt.
Legen wir los mit Energieaustausch!“
Ihr habt ja recht, es ist eigentlich auch kein Sour mehr, sondern ein Fizz. Er entstand aber als Sour und kann auch ohne Soda gut getrunken werden. Meist mix ich ihn als reinen Sour und überlasse es den Gästen mit Soda aufzufüllen. Jaaa, natürlich kann man auch echten Apfelbrand verwenden, aber das Rezept stammt aus der Frühzeit meines Studiums und alterte so in Würde mit mir mit. Das Original mit aromatisiertem Korn ist erstaunlicherweise auch die beliebteste Variante. Der Apfel fügt sich dort sehr harmonisch an den Lavendel. Und hey, ich weiß, deine WG Tage sind bereits hinter dir. Aber schmuggel‘ diese unerhörte Mischung doch einfach auf deine nächste Feier und im Nu steht ihr alle in der Küche und gröhlt bei einer Jugendsünde an Liedgut mit!
Übrigens: Die Lavendelessenz eignet sich super als Aroma in selbstgemachten Limonaden! Natürlich sind diese dann nicht komplett alkoholfrei, aber bei ungefähr 1 % Alkohol im fertigen Getränk für Fahrer*innen geeignet.