3-mal Sherry für die schwülen Tage

It’s too darn hot! Der Jazzklassiker bringt das Gefühl dieses drückenden Spätsommers in eine klagliche Atmosphäre. Zu heiß für Party, zu schwitzig für Dates, zu schwül für Geselligkeit. Doch statt eines konditionierten Griffs zum Rumbereich der Bar für Mojito, Daiquiri und co, wird heute das Altherren-Image von Sherry aufpoliert. Aber nein, diese urigen Sherrygläser bei Oma lassen wir im Schrank, ihre Sektschalen hingegen… Manzanilla Sherry in drei verschiedenen Rollen im Cocktail.

Bevor wir den Hechtsprung in die gekühlten Getränke wagen, möchte ich hinweisen, dass Sherry ein breites Feld, im Grunde eine eigene Kategorie darstellt und in diesem Blogpost nur mit Manzanillasherry gemixt wurde. Dieser ist ähnlich zu den verbreiteten Finos, wurde ebenso unter der Hefeschicht („Flor“) ohne permanente Sauerstoffzufuhr und damit gering oxidativ ausgebaut. Trocken, ein bisschen Säure und leicht pikant mit einer Prise Salz. Pur finde ich ihn kalt trinkbar, wobei sein Geschmacksprofil mir eher den Wunsch ausdrückt, ein Element eines Cocktails zu werden. Falls daheim weder Fino noch Manzanilla griffbereit sind, kann man die Drinks noch mit oxidiativ hergestelltem Oloroso probieren, wobei die nussigen und balsamischen Aromen dabei einiges verändern werden. Der sirupartige Pedro Ximenez sollte sich nicht als Ersatz eignen.

Der Klassiker

Ich geb es zu, beim Erstkontakt mit dem Adonis vor einigen Jahren hat mich der Name etwas verschreckt. Posierend reckende Bodybuilder tauchten vor dem inneren Auge auf. Aber wer Inspiration sucht, lässt sich von Assoziationen nicht schrecken. Letztlich wurde der Name zu Ehren des ersten Broadway Musicals gewählt, welches mehr als 500 Aufführungen erreichte – und das im späten 19. Jahrhundert. Mit dem Adonis fand ich meinen Weg zu den milderen, weinlastigen Short Drinks, die ich besonders auch tagsüber ansprechend finde, wenn ein Manhattan noch zu sperrig und schwer erscheint. Dabei brauchen sich diese weinlastigen Drinks in punkto Komplexität aber nicht vor den Spirituosen verstecken. Normalerweise werden im klassischen Adonis roter Wermut und Orangenbitters verwendet, womit der Drink mehr Körper aufweist. Zudem spreche ich dem Sherry mehr Raum zu, da der Drink sonst süßer und der Wermut zu präsent für meinen Geschmack wird. Deswegen möchte ich die Variante mit Martini Ambrato und Grapefruitbitters als eigene Adaption weitergeben.

Elegant, leicht und voller subtiler Aromen – der Adonis bleibt in vielen Variationen ein spannender Begleiter.

White Adonis

6 cl Manzanilla Sherry (La Gitana)
3 cl weißer, italienischer Wermut (Martini Ambrato)
2 Dash Grapefruitbitters (The Bitter Truth)
Auf Eis verrühren und einer vorgefrosteten Schale servieren. Ggf. mit Grapefruitzeste absprühen.

Ganz im Gegensatz zur früheren Assoziation zeigt sich der Adonis eben nicht als brachialer, überbetonter Drink. Leise, lieblich und luxoriös plätschert er dahin. Man nippt nach und nach und erspürt dabei verschiedene Aromen. Kamille, Meeresbriese, Chinarinde (Tonic Water!), Grapefruit, Most… Geschmacklich ist er dabei dennoch schön frisch und auch herb, weshalb er einen guten Trinkfluss anbietet. Das erstaunliche ist, dass ich weder diesen Wermut noch den Sherry wirklich gerne pur trinke, aber im Adonis beide sehr deutlich hervorkommen und dabei nicht anstrengen. Sogesehen ist es der Drink, um sich Sherry und Wermut in ihrer Reinform anzunähern. Übrigens habe ich ihn zudem mit Oloroso (und rotem Wermut) getestet und kann dies ebenso empfehlen.

Der Gefällige

Sehr zum Leidweisen der Konsumierenden sind Cocktailrezepte alles andere als einheitlich. Besonders beim Mai Tai bin ich immer wieder erstaunt, welche Vorstellungen Bars von diesem Drink haben und wie wenig sie noch mit dem Ursprungsrezept gemein haben. Manche Recherche entlarvt sich als trickreich, da einzelne zentrale Zutaten den ganzen Charakter eines Cocktails zu verändern wissen. So auch beim Pomp and Glory. Das Verhältnis von Sherry und Holunderblütenlikör unterschied sich häufig, doch vor allem bei einer Differenz war ich ratlos: Kommt nun Zitronensäure in den Drink oder nicht? Es musste also beides ertestet werden. Kurzgesagt: Die Variante ohne Säure gewann bei mir keinen Blumentopf. Irgendwie braucht es den Zitronensaft um die floral-liebliche Holunderblüte mit dem trocknen und eher pikant-herzhaft anmutenden Manzanilla zu verbinden. Ein Freund aus meiner Barcommunity hat das passende Rezept einer australischen Bar ausfindig gemacht. Da mir das ganze immernoch recht lieblich und blumig erschien, hab ich den Sherry noch einen Tacken verstärkt.

Mit Holunderblütenlikör und dem Schuss Zitronensaft ist der Pomp and Glory bestens für den Nachmittag am See geeignet.

Pomp and Glory

4 cl Manzanilla Sherry (La Gitana)
2 cl Holunderblütenlikör (St. Germain)
1 BL Zitronensaft
1 Dash Orangenbitter (Angostura)
Auf Eis shaken und in einer vorgefrosteten Sektflöte servieren. Mit einer Zitronenzeste absprühen und damit garnieren.

Schon den Begriff „Bartender’s Ketchup“ gehört? St. Germain hat die Fähigkeit jeden Drink gefällig und süffig zu machen, es gibt selten eine unpassende Kombination damit. So auch hier. Blumig, lieblich und leicht. Der größere Anteil an Sherry gibt dem Ganzen einen weinigen Charakter, der Pomp and Glory erinnert mich in dieser Form ein bisschen an den Pflaumenwein, den es bei pseodochinesischen Restaurants vorweg serviert bekommt. Aber halt in gut. Nichts Künstliches, nicht dieser Muffton, nicht so klebrig. Der Sherry schafft es auch hier im ganzen Wohlfühlmodus noch ein bisschen Tiefe einzubringen und dieses Prischen Salz, ich mag es nicht missen. Der passende Anlass ist hier ein Tag am See oder zur Begrüßung von Gästen, da er niemanden verprellen wird.

Der Erfrischende

Mit diesem Drink springen wir in ein wahres Cocktailmekka – New York. In diesem Melting Pot der Kulturen gibt es eine Vielzahl an Bars, die maßgeblich das moderne Bild von Cocktailkultur geprägt haben. Es gehört zu meinen noch unerfüllten Lebenswünschen, einmal eine Empfehlung im Employees Only zu nehmen oder einen Drink aus dem PDT-Buch mal im Original serviert zu bekommen. Nicht ganz so berühmt, aber auch mit spannenden Drinks bewaffnet gibt es das Leyenda in Brooklyn, welches den Pisces Rising anbot. Sherry wird seit knapp 200 Jahren als Cobbler zur Erfrischung getrunken. Auch in Longdrinks findet er mittlerweile seinen Weg und verwischt nun endgültig das Bild vom Herrensalon im Chesterfield Ohrensessel und Tweedanzug. Im Vergleich zu den vorigen beiden Drinks tritt der Manzanilla hinter den Pisco und begnügt sich mit der zweiten Geige. Der Ocucaje Italia wird immer wieder in meiner Bar nachbestellt, weil er eine unglaubliche Fruchtigkeit mitbringt, die ihn im klassischen Pisco Sour oder auch mit Ananas einfach nur Spaß machen.

Im Longdrink verleiht der Sherry Tiefe, die man sonst häufig in den carbonisierten Drinks vermisst.

Pisces Rising

4,5 cl Pisco (Ocucje Italia)
2 cl Manzanilla Sherry (La Gitana)
1,5 cl Grapefruitsaft (frisch)
1,5 cl Zitronensaft (frisch)
1,5 cl Zuckersirup
1 BL Crème de Pêche (Giffard)
1 Dash Selleriebitter (The Bitter Truth)
Alle Zutaten Shaken und auf frischem Eis abseihen. Auffüllen mit Soda

In diesem Drink ist es so, als würde man in einen vollreifen und fleischigen Pfirsich beißen. Nach dem vollen Korb an Kopfnoten kommt die samtige Textur des Sherrys durch und gibt dem Drink Tiefe, die man häufig in Longdrinks vermisst. Auch ein wenig Salzigkeit ist erahnbar und dann zwickt einen die herb-saure Grapefruit leicht in der Kehle. Diese liefert genau den Kick, den so ein Longdrink braucht, um interessant zu bleiben. Längst nicht so knackig wie ein Paloma Cocktail, dafür auch vielschichtiger. Ich liebe einfach Drinks, die sich gut trinken lassen, aber auch das gewisse Etwas haben, wenn man sich die Zeit dafür nimmt. Wenn also mal ein wenig Grapefruit übrig ist, wird der Pisces Rising ins Glas springen!

Insgesamt vergrößere ich meine Auswahl an Weinaperitiven wie Wermut, Sherry und Port mit der Zeit. Es lohnt zu experimentieren, lädt zu leichteren Getränken ein und wenn man eine Flasche leer ist, probiert man sich an einer neuen Sorte. Zudem halten sie sich bei mir auch ohne Kühlung beständig. Ein wenig ist noch in der kleinen Flasche La Gitana – hat jemand einen Cocktailvorschlag für mich?

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