Schnellschüsse: Gemüsesäfte

Ein Vorteil von Getränken liegt in ihrer spontanen Verfügbarkeit. Und genauso spontan wie so manche Flasche geöffnet ist, ergießen sich hier die Gedanken zu jenen. So kam es heute zu einem spontanen Gemüsesaftkauf im lokalen Denn’s. Wie ein Insider-Witz kommen wir bei besonders heißen Sommertagen zu unserer glorreichen Mission, etwas zu verkosten, um das wir sonst einen großen Bogen gemacht hätten. Von Hanfsmoothies, Fermentaten und der Baggerladung Erde im Gesicht. Ein Lifestylebericht.

Ein Witz wird zum gemeinsamen Ritual

Vor zwei Jahren begab es sich, dass ein Freund beim gemeinsamen Schlendern über den Hannoveraner E-Damm auf die eigenartige Idee kam, man müsse jetzt endlich mal Sauerkrautsaft probieren. Säfte kommen eher selten in den Einkaufskorb ohne einen speziellen Drink im Sinn zu haben. Von der Gemüsevariante dieses Cytoplasmagemansches ganz zu schweigen. Zu meiner sinkenden Begeisterung kam noch der Fakt hinzu, dass man im Geschäft der Wahl nur ungekühlten Sauerkrautsaft hatte, die Laufkundschaft sieht wohl eher vom spontanen Genuss dieser fermentierten Kohlspezialität ab. Milchsäuregärung, leicht gesalzen, alles fein und deutsch im Tetrapack.

Als mein werter Freund dann die Ehre des Anstichs hatte und prompt das Gesicht verzog, erschallte kurz danach sein Gelächter. „Boah, ist das furchtbar. So schlimm hatte ich das nicht erwartet.“ Nun gut, dann sollte also auch mein Magen-Darmtrakt saniert werden. Einen tiefen Zug mit dem Strohhalm und das salzige Fermentat klatschte mir auf die Knospen. Wie ein sonnengekühltes Bier war es wärmer als die Verpackung vermuten ließ und gab mir einen sauren Schauer. Aber wer sich alle (einigermaßen sicheren) Getränke zu seiner Leidenschaft erklärt, der nennt sowas „interessant“. Seitdem überkommt uns jährlich einmal dieses Bedürfnis einen ungekühltes (für uns exotisches) Getränk in der größten Sommerhitze zu trinken und wer dabei den „interessantesten“ Fund landet, hat gewonnen. Letztes Jahr bekam ein Wasser mit Buttermilchgeschmack die fragwürdige Ehre des Siegers.

Love it healthy

Heute saßen wir mal zu Dritt in einem kleinen Kaffee mit lokal gerösteten Bohnen. An mir ist kein großer Kaffeetrinker verlorengegangen, aber hin und wieder reizt mich ein gut gemachter Filterkaffee. Heute sollte es Americano sein und neben der deutlichen Röstung hat vor allem die Säure den Bohnensud für die Temperaturen erträglich gemacht. Meine beiden Begleiter ließen sich die Spezialitäten direkt auf Eis servieren, aber als hartgesottener Teetrinker stört mich auch kein Heißgetränk im Sommer. Da jedoch die Mittagshitze auf unsere Köpfe brutzelte, war nun der diesjährige Moment unseres Rituals gekommen. Im wohltemperierten Supermarkt begaben wir uns auf die Suche nach dem gesündesten Nektar. Dazu passend ein Nachruf auf die tagträumerische Musik meiner liebsten (deutschen) A capella-Gruppe, den „Wise Guys“. Sich nicht zu ernst nehmen und stets um kein Lächeln verlegen. Gute Laune vokalisiert.

Die Auswahl an Rote-Beete Säften war erstaunlich. Neben dem reinen Direktsaft (mit ordentlichen Rüben-Feststoffen) waren auch zwei Fermentate verfügbar, einer davon wieder dezent gesalzen. Aber der kühle Laden brachte ein wenig Besinnung in meine beiden Begleiter, weshalb sie fluchs zu den Smoothies griffen. Na gut, in einem war wenigstens die Beete ein nennenswerter Bestandteil und der andere hatte Hanfsamen als „Proteinquelle“ im Getränk. Dass man etwas proteinreich bezeichnen darf, wenn im Endprodukt sagenhafte 2,5 g Eiweiß pro 100 ml enthalten sind… Und dann auch noch in 200 ml Flaschen! Der andere Smoothie war ein Mix aus Rote Beete, Grünkohl und Spinat. Alles sehr gesund. Na mal sehen, ob der Apfel- und Bananensaft dagegen ankommt oder hier die Summe der Teile zu einem Frankenstein Monster führen.

Aus dem Laden heraus stießen wir an und ich wartete auf die Baggerschaufel Erde, welche bei mir einen Endlagerplatz finden sollte. Erstaunlich süß und stärkehaltig – ein überraschtes Gesicht. Ein bisschen wie Maissaft, wobei dann doch ein Spatenstich Erde aufgeschüttet wurde. Irgendwie sogar ganz angenehm temperiert, kalt kann ichs mir nicht so ganz vorstellen. Der Hanfsmoothie war letztlich ein Apfel-Bananensmoothie mit seltsam spitzem Nachgeschmack und der Beete-Grünkohl-Spinat Spaß erwies sich als recht ausgewogen, wobei die Gemüsesorten auch genau in der Reihenfolge hintereinander zu schmecken waren.

Was lernen wir daraus?

Erstaunlich zahm war unsere diesjährige Runde. Ob ich mir auch mal so eine Rote Beete entsaften würde bleibt fraglich. Für den (deutlich intensiv-erdigen) Geschmack habe ich von Faude ein kleines Fläschen eines Rote Beete Geistes und damit auch gut bedient. Ansonsten bleibt für mich dieses Speicherorgan eher außerhalb der flüssigen Welt. Eines muss aber noch getestet werden:

Verbrannte Erde

6 cl Rote Beete Saft (Voelkel Feldfrischer Rote Beete Saft)
4 cl Mezcal (Topantio Espadin 52% Alk.)
3 cl Manzanilla Sherry (Hidalgo La Gitana)
2 cl Rhabarbershrub (hausgemacht auf Apfelessigbasis)
5 Halme Schnittlauch
1 Peperoni (frisch)
Ein Hardshake auf Eis mit allen Zutaten. Danach doppelt in einen Tumbler auf frisches Eis abseihen. Mit einer Cocktailtomate verzieren.

Ein eiskalter Drink versteckt sich im hohen Gras des unnachgiebigen Hochsommers.

So bekommt man mich doch zu meinen Vitaminen! Nur ist Mezcal wohl nicht das Mittel der Wahl Gemüse den Kindern schmackhaft zu machen. Nur leicht pikant, aber recht würzig ist es eine Neuiteration des Bloody Mary. Beete, Mezcal und der hausgemachte Rhabarbershrub verpassen dem Drink dreierlei Erdaromen, der Sherry poliert das ganze, bändigt die Säure des Shrubs und verleiht ein wenig Salinencharakter, welcher ebenso prototypisch für die blutige Marie ist. Durch die großzügige Menge an Beetesaft bleibt dabei die Hauptrolle stets erkennbar, auch wenn der Funk des Mezcals (Topanito ist eher auf der dreckigen Seite von Mezcal) mit dem Essig ein bisschen Freejazz soliert. Manchmal sind die schnellsten Eingebungen die besten. Volle Empfehlung, diesen eher lieblichen Bloody Mary Twist selbst zu mixen. Auf meiner nächsten Cocktailkarte wird er zu finden sein.

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