Nunja, irgendwie steh ich auf Kriegsfuß mit Suggestivmarketing und Lifestyleprodukten. Aber irgendwie schaff ich es doch immer wieder, bei einem Händler zu bestellen, der genau das beides in sich zu vereinen weiß: White2Tea. Designte Verpackungen, hippe Wortspiele, verheißungsvolle Geschmacksversprechungen. Ein kleine Scheibe „Smoove Cocoa“ ist in meiner Tasse, es gibt Shou Pu-Erh im Grandpa-Style. Ob mir der Kakao aus der Tasse springt?

In der Tasse
Ich verliere meinen Blick in der Tiefe der Tasse, der sich über die Minuten gebildet hat. Ein zarte Nase von eher süßlichem Aroma offenbahrt sich, Erdiges vernehme ich nicht. Ein erster Schluck. Beim Schlürfen wehrt sich der Tee nach Kräften, fast schon sirupartig kommt er frisch belüftet in meinen Mundraum. Eine wahre Wucht an Körper. Das schlanke und sehr saubere Aroma ist wirklich wie milchlose Schokolade. An Kakao(-nibs) erinnert es nicht, dazu fehlt mir die Säure, wobei eine kehlige Herbe zu vernehmen ist. Ein Paradoxon, wie etwas so cremig und schwer sein kann und dabei an eine milchlose Vollmilchschokolade erinnert. Es sind die Duftnoten, die im Mund verbleiben, nachdem man ein Stück Schokolade gegessen hat ohne dieses klebrige Gefühl am der Milch am Gaumen zu haben. Vor allem retronasal lässt sich dieser Eindruck intensivieren und bleibt so auch für eine Weile erhalten. Guter Shou Pu-Erh hat dabei einen ganz eigenen, sehr zarten Duft, der in der Nase verbleibt. Fachsprachlich wird er häufig als „glutinous rice fragrance“ also Klebereisduft bezeichnet, wobei dieser für gewöhnlich durch die Zugabe eines Krautes erfolgt. Und ja, es erinnert ein wenig ein Klebereis, den man in Kakaopulver gewälzt hat? Das wird mal beim nächsten Kokos Klebereis als Dessert ausgetestet! Bei weiteren Schlücken gesellt sich ein wenig Holzigkeit dazu. Eher wie Reisig im herbstlichen Wald riecht und nicht die Holztöne einer fassgelagerten Spirituose. Die Süße bleibt dezent und hintergründig, dafür wird mit längerer Ziehzeit die Mineralität prägnanter.
Blattmenge | ~ 7 g |
Wassermenge | ~ 400 ml |
Wassertemperatur | 100° C (kochend) |
Ziehzeit | 5 Min. + (open end) |
Ein sanftmütiger Kakao?
Jetzt wird es vertrackt. Ich hatte mal das furchtbare Erlebnis, einen mit Wasser angerührten Schokoladen-Proteinshake zu trinken und ein wenig holt mich diese Erinnerung bei dem Tee ein. Dabei ist der retronasale Duft wirklich himmlisch und im Gegensatz zum Proteinshake verklebt hier nichts, sondern befreit den Mund von hartnäckigen Aromenrückständen als ein „palate cleanser„. Mit einem Schokokeks getestet und bestätigt. Die leichte Herbe zieht Klebriges vom Gaumen ab und die Mineralität neutralisiert den Zucker. Zumindest das Prädikat „smooth“ verdient dieser Tee noch und nöcher, da schmirgelt nichts. Der wuchtige Körper passt mir auch gut zum Kakao. Nur die Aromen müssen echt aus dem Tee mit retronasalem Atmen herausgekitzelt werden, was jeglichem Gebrauch als Alltagstee zuwider ist.
Dieser Tee ist ein Lehrstück zu dem Unterschied von Aroma und Körper. Mundfüllend und viskos, aber gleichzeitig zart und flüchtig. Wenn der Tee erkaltet lässt er meines Erachtens so sehr vom Aroma nach, dass einen der Tee zusehens verwirrt. Das wolkenlose Himmelblau klopft an mein verhangenes Fenster. Von der anderen Seite appelliert Thomas D.: „Lass die Sonne rein!“ Dieser Shou ist kein Schreibtischtäter, dafür verlangt er zu viel Aufmerksamkeit. Hit or miss? Ich bin dankbar, eine kleine Probe gehabt zu haben, weil sie ihren Lehreffekt hatte und ich Shou Pu-Erh eher als mein robustes Arbeitspferd am Morgen zu mir nehme. Ein Minitong (7 x 7 g) ist eine gute Größe zum Probieren. Für Einsteiger ideal, da man nicht mit Pilzbrühe überrumpelt wird und einen Einblick in körperbetonte Tees bekommt.
Es gilt der Disclaimer, dass keine Produkt(-probe) für einen Test zugesandt wurden und auch keine Kooperation mit dem Händler bzw. Hersteller besteht.